Andacht

Andachten-Podcast vom Evangelischen Presseverband für Bayern (EPV)

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
(Aus: „Herbsttag“ von Rainer Maria Rilke)

Der Sommer war sehr groß. Das ist wahr. Weil wir Sonne tanken durften. Oder weil unsere Jugendlichen trotz des brennenden Busses so wunderbar behütet waren auf ihrer Fahrt mit der Evangelischen Jugend nach Spanien. Aber es stimmt doch eigentlich in jedem Jahr. Die Größe des Sommers feiern wir an Erntedank. Wir freuen uns über das, was die Erde uns mit Gottes und menschlicher Hilfe schenkt.

Aber der Sommer liegt hinter uns. Jetzt ist Herbst, und dazu gehört: Geplante Umbauarbeiten nicht mehr schaffen, weil die Handwerker fehlen. „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr…“. Sorge wegen steigender Energiepreise, und dann vielleicht einsam in der kalten Wohnung. Der Schatten auf den Sonnenuhren liegt manchmal auf unserer Seele.

Und doch ist der Herbst auch schön! Weil er Raum für Gedanken gibt, die in die Tiefe des Lebens führen. Es mag uns nicht leicht fallen, aber es tut trotzdem gut, dass wir am Ende des Kirchenjahres nachdenken über Leben UND Sterben. Und dass wir das gemeinsam tun. Miteinander beten, einander trösten, einander wärmen. Letzteres vielleicht ganz konkret, damit niemand alleine frieren muss. Vor allem dürfen wir uns gegenseitig daran erinnern, dass Gott auch an düsteren Tagen bei uns ist. Rilkes Gedicht ist ein Gebet: „Herr: Es ist Zeit.“ Und die Zeit, unsere Zeit, steht bekanntlich in Gottes Händen. Deshalb fröhlich und voller Zuversicht auf in den Herbst, im Vertrauen auf das, was in Rilkes Poesie so klingt:

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: Es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
(aus: „Herbst“ von Rainer Maria Rilke)

Ihre Pfarrerin Katharina Winkler, Petrigemeinde